Städte stehen heute an vorderster Front globaler Herausforderungen wie Klimawandel, steigendem Energiebedarf, Umweltzerstörung, sozialer Ungleichheit und öffentlichen Gesundheitskrisen. Angesichts dieser Dringlichkeit hat das Aspen Institute Germany das Projekt „Future Cities Go Glocal“ ins Leben gerufen. Dieses Projekt bringt jährlich 20 Entscheidungsträger aus Berlin, Nairobi, Neu-Delhi und Mexiko-Stadt zusammen, um durch Wissensaustausch und die Entwicklung von Politikempfehlungen die internationale Zusammenarbeit zu fördern und gemeinsame urbane Herausforderungen anzugehen. Das Projekt gipfelt in einer digitalen globalen Konferenz und einer gemeinsam verfassten Publikation von Politikempfehlungen, die Stadtakteuren weltweit praktische Werkzeuge für Transformationen an die Hand geben.
Das Projekt integriert Teilnehmer aus verschiedenen Sektoren wie Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Politik und Stadtverwaltung. Durch eine Reihe von virtuellen Workshops identifizieren die Teilnehmer gemeinsame urbane Probleme und bewährte Praktiken, um gemeinsam umsetzbare Lösungen zu entwickeln. Ein Höhepunkt ist ein persönliches Treffen in Berlin, bei dem sich die Teilnehmenden — darunter SID Programme Manager for Energy, Environment and Climate Futures Passy Amayo — mit politischen Entscheidungsträgern und lokalen Innovatoren austauschen und die Stadt als Testfeld für neue Lösungen erleben. Im Kern verkörpert „Future Cities Go Glocal“ die Idee, dass lokales und globales Handeln untrennbar sind, und befähigt städtische Akteure, inklusiven, nachhaltigen und systemischen Wandel voranzutreiben.
Städte spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung dieser Herausforderungen, da sie die Rollen von Hauptverbrauchern, Innovatoren und Produzenten kombinieren. Sie sind entscheidend für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele (SDGs), da schätzungsweise 65 Prozent der 169 SDG-Unterziele ohne aktives Engagement auf subnationaler Ebene nicht erreicht werden können. Städte sind für rund 80 Prozent des globalen Energieverbrauchs, 50 Prozent der festen und flüssigen Abfallproduktion und 70 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dies unterstreicht ihre immense Bedeutung und die Notwendigkeit, sie als vitale Anker für Handeln, Resilienz und Verbindung zu stärken.
Die Bewältigung dieser Herausforderungen wird oft durch fragmentierte und eingeschränkte Governance-Strukturen erschwert. Die lokale Verwaltung ist häufig durch eine Vielzahl von Akteuren, Silodenken sowie mangelnde Koordination und Kohärenz gekennzeichnet, was durch Kapazitätsengpässe und Ressourcenmangel noch verschärft wird. Dies kann die effektive Umsetzung zukunftsorientierter Politiken behindern und zu Ineffizienzen und Verzögerungen bei der Bewältigung kritischer urbaner Herausforderungen führen. Hinzu kommen Korruption und Lobbyismus einflussreicher Gruppen, die Ressourcen von wichtigen Projekten abzweigen und Ungleichheiten verschärfen können.
Darüber hinaus stellen weitere übergreifende Herausforderungen dar: die Digitalisierung, die zwar enorme Chancen zur Optimierung bietet, aber auch Bedenken hinsichtlich Energieverbrauch und Datenschutz aufwirft. Menschenrechte und Geschlechtergerechtigkeit sind entscheidend, da schnelle Urbanisierung und Klimawandel Ungleichheiten verschärfen und marginalisierte Gruppen unverhältnismäßig stark betroffen sind. Zielkonflikte, beispielsweise zwischen umweltfreundlichem Transport und Naturschutz, sowie unzureichende Finanzierung begrenzen die Fähigkeit der Städte, notwendige Investitionen in Infrastruktur und nachhaltige Lösungen zu tätigen.
Die erste Kohorte von „Future Cities Go Glocal“ hat drei Schlüsselbereiche identifiziert, die sofortiges und strategisches Handeln erfordern: 1. Die gerechte, sichere und nachhaltige Energiewende; 2. Umweltmanagement für resiliente, gerechte und gesunde Städte; und 3. Stadtplanung für zugängliche und effiziente Infrastruktur und Mobilität. Diese Themen sind miteinander verbunden und müssen ganzheitlich betrachtet werden, da sie immense Herausforderungen und wertvolle Chancen für Fortschritt bieten.
Ein zentrales Thema ist die Energiewende. Städte, die 80 Prozent des globalen Energieverbrauchs ausmachen, sind stark von fossilen Brennstoffen abhängig, die 82 Prozent der weltweiten Energieversorgung ausmachen. Dies trägt erheblich zum Klimawandel bei. Die Energieversorgungssicherheit wird zunehmend durch geopolitische Veränderungen und den Klimawandel gefährdet. Herausforderungen hierbei sind veraltete Verteilungsinfrastrukturen, die für dezentrale Energieerzeugung unzureichend sind, sowie Finanzierungsengpässe für Investitionen in saubere Energieinfrastrukturen. Auch regulatorische und strukturelle Barrieren sowie Fachkräftemangel verlangsamen den Übergang. Zudem gefährden top-down Entscheidungsprozesse und eine unfaire Kostenverteilung die soziale Gerechtigkeit bei der Energiewende.
Um diese Herausforderungen zu bewältigen, wurden konkrete Empfehlungen formuliert: Lokal sollten Städte kurzfristig Klima- und Energiebüros mit klaren Mandaten und ausreichender Finanzierung einrichten. Gerechte Tarifpolitiken, die niedrige Einkommen berücksichtigen und gleichzeitig Energieeffizienz fördern, sind kurz- bis mittelfristig in Partnerschaft mit Energieversorgern einzuführen. Digital wird empfohlen, digitale Tools zur Erfassung von Energiebedarf und -infrastruktur zu entwickeln, auch durch öffentlich-private Partnerschaften zur Datenerhebung für KI-Modelle. International sollten die beteiligten Städte gemeinsam einen Urban Energy Justice Framework definieren, um Prinzipien und Metriken für eine faire, transparente Energiewende zu etablieren und den Übergang zu grünen Arbeitsplätzen zu unterstützen.
Ein weiterer Schwerpunkt ist das Umweltmanagement. Städte sehen sich mit einer wachsenden Menge an festen Abfällen, mangelndem Zugang zu sauberem Wasser und hoher Luftverschmutzung konfrontiert, die jährlich Millionen vorzeitiger Todesfälle verursacht. Diese Belastungen werden durch extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Stürme und Überschwemmungen verschärft, welche die Infrastruktur an ihre Grenzen bringen. Viele städtische Gebiete wurden nicht für solche Extreme konzipiert. Problematisch ist auch die Ungleichheit, da einkommensschwache und marginalisierte Gemeinschaften unverhältnismäßig stark Umweltgefahren ausgesetzt sind und oft keinen Zugang zu Grünflächen, sauberer Luft, Nahrung und Wasser haben.
Für ein effektives Umweltmanagement sind folgende Empfehlungen von Bedeutung: Lokal sollten Städte kurz- bis mittelfristig eine Kreislaufwirtschaft für Wasser, Abwasser und feste Abfälle implementieren, um die Klimaresilienz zu verbessern. Dies beinhaltet die Entwicklung einer Strategie und die Schaffung eines entsprechenden Rahmens für Geschäftsmodelle und Politiken. Zudem sollen naturbasierte Lösungen wie urbane Grünflächen und natürliche Gewässer zur Temperaturregulierung in die Stadtplanung integriert werden. Digital wird empfohlen, digitale Lösungen für die Kommunikation bei extremen Wetterereignissen (einschließlich Frühwarnsystemen) und die Katastrophenvorsorgeplanung zu implementieren, insbesondere für Risikogruppen. International sollten die Städte einen internationalen Kooperationsrat gründen, um Erfahrungen bei der Umsetzung von Kreislaufwirtschaftsprogrammen auszutauschen.
Schließlich ist die Stadtplanung für zugängliche und effiziente Infrastruktur und Mobilität entscheidend. Der Verkehrssektor ist für einen erheblichen Teil der CO2-Emissionen verantwortlich, wobei der städtische Verkehr 8 Prozent ausmacht. Viele Städte sind auf private Autos ausgelegt, was die Bedürfnisse derer vernachlässigt, die auf Gehen, Radfahren oder öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind. Dies führt zu erheblichen Barrieren für Menschen mit Behinderungen, Kinder, ältere Menschen und Bewohner einkommensschwacher Viertel. Extreme Wetterereignisse unterbrechen zudem häufig Verkehrsnetze und beschädigen die Infrastruktur, was die Anfälligkeit der Systeme offenbart.
Um einen Übergang zu umweltfreundlicher und widerstandsfähiger Mobilität zu ermöglichen, umfassen die Empfehlungen: Lokal sollen kurz- bis mittelfristig Mobilitätspolitiken entworfen werden, die Beschränkungen (z.B. für private Autos) mit Anreizen für barrierefreie öffentliche Verkehrsmittel kombinieren, um eine nahtlose Anbindung zu fördern. Außerdem sollen innovative E-Mobilitätslösungen wie E-Busse, E-Bikes und Ladeinfrastrukturen in die Stadtentwicklungspläne integriert werden, oft in öffentlich-privaten Partnerschaften. Digital wird mittelfristig die Einrichtung und Verbesserung des Zugangs zu einem offenen Daten-Hub empfohlen, um Informationen über den Mobilitätsmix abzubilden und zukünftige Bedarfe zu prognostizieren. International sollen die Städte eine rotierende Urban Innovation Roadshow initiieren, um bewährte urbane Lösungen zu präsentieren und den städteübergreifenden Austausch und Partnerschaften zu fördern.
Zusammenfassend zeigt das Future Cities Go Glocal-Projekt, dass die Herausforderungen, obwohl gewaltig, nicht unüberwindbar sind. Durch konzertierte Anstrengungen und Zusammenarbeit über sektorale, kulturelle und geografische Grenzen hinweg können Fortschritte erzielt werden. Die formulierten Empfehlungen bieten Stadtakteuren praktische Werkzeuge und umsetzbare Strategien, um komplexe urbane Probleme anzugehen und Städte zu schaffen, die nicht nur funktional und resilient, sondern auch gerecht, klimafreundlich, inklusiv und zukunftsorientiert sind. Das Projekt sieht Städte als globale Führungspersönlichkeiten bei der Gestaltung einer gerechteren und nachhaltigeren Zukunft.
Mehr dazu: https://www.aspeninstitute.de/conferences/future-cities-go-glocal-digital-global-townhall-conference/
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